Virtuelles Lebenswerk von Heinrich Keßler, Appenweier
Kontext: Architekturen und Systeme des Lebenswerkes und des Humankapitals

Verwalter des Humankapitals.

Verwalter ist eine Funktion, eine Rolle, eine Aufgabe oder das Ergebnis eines Auftrages oder einer Vereinbarung. Die verwaltende Person hat als entgeltliche oder unentgeltliche Dienstleistung das ihr Anvertraute im Sinne des tatsächlichen Eigentümers zu hegen, zu pflegen, zu schützen und im Sinne des Eigentümers zu bewahren. In der Regel ist der Verwalter von der unmittelbaren und eigennützigen Nutzung des verwalteten Gutes ausgeschlossen und muss es vollständig zurückgeben, wenn es der Eigentümer verlangt. Es können Schadensersatzansprüche entstehen, wenn das verwaltete Gut zerstört, beschädigt oder minderwertig wurde. Dieses Prinzip gilt auch für das Humankapital, das nachfolgend beispielhaft zu erklären versucht wird:

Verwalter des gesellschaftlichen Humankapitals.

Im Moment (2010) kann ich weder eine Person noch eine Institution erkennen, die sich für die Verwaltung des gesellschaftlichen Humankapitals verpflichtet fühlt bzw. dazu verpflichtet wurde. Das gesellschaftliche Humankapital ist strikt dem Geldkapital untergeordnet - und "was sich nicht zu rechnen scheint", fällt unter den Tisch. Die wenigen Aufgeregtheiten und Sonntagsreden zu "Gedenktagen" dienen manchmal mehr der Inszenierung der immer wieder gleichen Personen und der Durchsetzung bzw. Aufrechterhaltung von nutznießenden Partikularinteressen.

Verwalter des betrieblichen Humankapitals.

Hier scheint der Zeitgeist insbesondere zu fordern, dass die Nutzung des Humankapitals der Angehörigen des Unternehmens bzw. der Organisation mit so geringen Mitteln wie nur irgend möglich erfolgt. Leistungsprinzip, Standardisierung, Automatisierung und Digitalisierung tragen dazu bei. Die Menschen werden auf ihre Nützlichkeit für das betriebliche Geschehen im Sinne von Verwertbarkeit ihres Humankapitals hin geprüft und ausgewählt. Das Potenzial des Humankapitals, das das aktuelle betriebliche Geschehen nicht abfordert, wird übersehen bzw. sogar abgewehrt. Im Moment sehe ich keine Organisation (mehr), die aus dem tatsächlich vorhandenen Humankapital in ihrem eigenen Hause mehr macht als "rasch mal Geld verdienen zu wollen". Die nachhaltige gemeinsame(!) Entwicklung von Unternehmen, Organisation und den Menschen, die sie bilden, scheint nur selten noch zu geschehen. Kurzlaufende Arbeitsverträge sichern auch, dass dies nicht (mehr) möglich ist.

Verwalter des beruflichen Humankapitals.

Durch Technisierung und Automatisierung werden immer mehr Funktionen von Maschinen übernommen, die ursprünglich Talente, Fähigkeiten, Fertigkeiten und berufliche Erfahrungen erforderten. Technik dequalifiziert, d.h. die Menschen müssen heutzutage immer weniger von dem erlernen und verstehen, was sie mit der ihr zur Verfügung gestellten Technik tun und leisten können. Vielleicht ist dieses Phänomen am Wandel von der bäuerlichen Landwirtschaft zur industriellen Nahrungsmittelindustrie nachzuvollziehen. Berufe verlieren also ihre Bedeutung und ebenso das Humankapital, das mit den Berufen verbunden ist: Sterben die Menschen, die noch wussten, was den Beruf ausmachte, ist auch das Wissen und damit das Humankapital unwiederbringlich verloren.

Andererseits wird die Bedeutung insbesondere von neuen und modischen Berufen aufgebaut. Neue Berufe und damit auch Berufs- und Interessensverbände entstehen, die durch Marketing, Zugangsbeschränkungen und Zertifikate den "Wert" der Berufe erhöhen und bewahren wollen.

Verwalter des persönlichen Humankapitals.

Die Verwaltungsfunktion für das persönliche Humankapital ist meines Erachtens untrennbar mit dem Eigentum am Humankapital verbunden. Jede Person ist selbst gefordert zu sichern, dass sie nicht ausgebeutet wird bzw. werden kann oder sich selbst prostituiert. Daraus erfolgt die Mahnung, sich mit solchen Personen und Organisationen zu umgeben, die die persönliche Entwicklung und Entfaltung am ehesten in der Gemeinschaft mit anderen langfristig ermöglichen.